Zur Zeit der Artikelverfassung bin ich 43 Jahre alt. Ziemlich jung, würd man sagen. Aber in den vergangenen Monaten habe ich mich alt und zerbrechlich gefühlt. Hier erzähle ich dir von meinen persönlichen Erfahrungen mit Hormonersatztherapie. Dieser Artikel dient nur informativen Zwecken, du solltest alle Entscheidungen bezüglich deiner Gesundheit mit betreuender Ärztin besprechen.
Symptome der Wechseljahre: ich hatte sie fast alle
Mit 41, nach einer operativen Entfernung einer Eierstock-Zyste und einer Endometriose-Diagnose, fing plötzlich mein Bauch zum wachsen. Zuerst dachte ich, dass es an der OP lag und das mit der Zeit besser wird. Nach einem halben Jahr war der Bauch immer noch da und die Zyklusschwankungen kamen dazu. Ich verstand nicht gleich, dass es um Wechseljahre handeln konnte. Als meine Blutung immer wieder aussetzte und andere Ursachen ausgeschlossen wurden, dämmerte mir langsam ein, dass ich in Wechseljahren bin.
Menopause ≠ Wechseljahre, Wechseljahre sind die Jahre, die zur Menopause führen. Durchschnittlich sind die europäischen Frauen 51 Jahre alt, wenn die Menopause (die letzte Blutung) eintritt.
Durchschnitt bedeutet, dass Menopause auch 5 Jahre früher oder 5 Jahre später kommen kann. Und die Wechseljahre, die eigentliche Übergangszeit von den fruchtbaren Jahren zur Menopause, wenn Eierstöcke ihre Produktion komplett einstellen, können 2 bis 10 Jahre dauern. So gesehen, kannst du schon mit 35 Jahren Wechseljahre Symptome erleben.
Und es sind nicht nur die Hitzewallungen und Ausbleiben der Blutung, wie ich naiv glaubte. Es gibt wahrlich einen Haufen Symptome. Unser Bindegewebe, Gefäße, Muskeln, Gehirn, Haare, Haut, Nerven, ja sogar unsere Darmbakterien reagieren auf Hormonspiegel im Körper. Deshalb sind die Symptome und Beschwerden der Wechseljahre so weit gestreut.
Hier ist eine nicht vollständige Liste der Symptome und Zustände, die sich mit Wechseljahren entwickeln können:
- Einschlaf- und Durchschlafstörungen
- Muskeln- und Gelenkschmerzen am ganzen Körper, die bei fast allen Frauen auftreten, lies hier, warum
- Frozen Shoulder
- Restless Legs
- Stimmungsschwankungen, Depressionen und Angstzustände
- Brainfog – ein Gehirn wie in die Watte gepackt, das unmöglich macht, einen klaren Gedanken zu fassen
- Unerklärliche Gewichtszunahme am Bauch
- Niedriges Libido
- Steigende Cholesterinwerte
- Verdauungsprobleme wie Blähungen und Verstopfungen
- Schmerzende Brüste
- Haarverlust
- Trockene, verletzungsanfällige Haut
- Juckreiz
- Vermehrte Hornhautbildung
- Trockene Schleimhäute (Vulva, Nase)
- Scheideninfektionen aufgrund der trockenen Schleimhäute
- Labia Minora und Klitoris Schwund
- Harnverlust und Beckenbodenprobleme
- Hitzewallungen
Wenn du also das Gefühl hast, dass dein Körper auseinanderfällt und du nur noch von einem Arzt zum anderen rennst, vielleicht sind es Wechseljahre.
Wechseljahre-Störungen natürlich behandeln: das habe ich versucht
Ich habe mich immer ziemlich gesund ernährt, aber mein Frühstück bestand aus Kaffee und Semmel mit Butter und Käse. Also stellte ich mein Frühstück um – Eier mit Gemüse oder Haferbrei, oder griechischer Joghurt mit Früchten. Dann reduzierte ich meinen ohnehin kleinen Alkoholkonsum auf maximal 1 bis 2 Gläschen Wein pro Monat. Ich arbeite von zu Hause und habe schon immer Mittagessen gegessen. Ich tauschte Reis und Nudeln in meinem Mittagessen gegen gesündere Kohlenhydrate aus. Ich esse viel Gemüse und koche jeden Tag. Aber mein Bauch wuchs weiter, andere Symptome, außer schlaflosen Nächten, waren noch nicht so schlecht.
Ich unterrichte Bewegung und trainiere 5–6 Mal pro Woche. Ich gehe überall zu Fuß. Mehr trainieren könnte ich nicht, also tausche ich zwei Pilates-Einheiten gegen Krafttraining und HIIT, in der Hoffnung mehr Muskeln und weniger Fett zu haben. Mein Aussehen hat sich nicht verändert, aber meine Stimmung blieb gut. Bewegung ist meine persönliche Stütze für meine mentale Gesundheit.
Obwohl ich die letzten zwei Jahre peinlichst auf meine Ernährung achtete, wurden meine Symptome schlimmer. Ich konnte nie einschlafen, nach dem Training hatte ich wochenlang Muskelkater, ich verriss meinen Rücken beim einfachen Bücken.
Ich probierte Melatonin und es half tatsächlich beim Einschlafen. Aber Dr. Lisa Mosconi, eine Neurowissenschaftlerin, die sich mit der Auswirkung der Menopause aufs Gehirn beschäftigt, empfiehlt, das Melatonin nicht länger als zwei Wochen am Stück zu nehmen. Ich nahm Magnesium und Vitamin D für meine Muskeln, merkte aber keine Verbesserung in Schmerzen.
Ich war mir immer noch nicht sicher, ob ich Hormone nehmen sollte. Meine Mutter meinte, sie hat es ohne jegliche Beschwerden überstanden, eines Tages war die Blutung einfach weg. Ich erinnerte mich aber, wie sie ab 45 extremen Stimmungsschwankungen gehabt hat und sehr plötzlich zugenommen hat; wie sie jeden Nachmittag flach von der Erschöpfung im Bett lag.
Ich musste mich entscheiden
Ich recherchierte immer mehr zum Thema Wechseljahre, lass neueste Untersuchungen und verstand langsam die Ausmaße der Veränderungen in meinem Körper. Meine Symptome haben sich mittlerweile verstärkt, meine Haut tat weh und fühlte sich ganz dünn. Nach dem Training benötigte ich eine Woche, um sich zu erholen. Dazu kamen Blähungen, die wochenlang dauerten und sehr schmerzhaft waren. Ich lag nur noch am Sofa und stöhnte. Als ich im Buch von Dr. Mosconi über den Einfluss der Wechseljahre auf das Gehirn las und darüber, dass Demenz eine weibliche Krankheit ist, war meine Entscheidung gefallen. Meine Oma ist dement und ich will alles tun, um diesem Schicksal zu entgehen. Außerdem hatte ich Angst, wegen des Brainfogs meine Arbeit nicht mehr nachgehen zu können.
Meine Erfahrung mit Hormonersatztherapie
Hormonersatztherapie oder HRT (Hormone Replacement Therapy aus dem Englischen) wird jetzt bevorzugt MHT genannt ( Menopausal Hormone Therapy).
MHT wird von einer Ärztin verschieben und individuell dosiert. Bei den Frauen, die noch eine Gebärmutter haben, besteht die Therapie meistens aus zwei Präparaten – Östrogen und Progesteron. MHT wird nicht jeder Frau empfohlen. Z. B. Frauen, die Gebärmutter-, Eierstöcke- oder Brustkrebs hatten oder in der Risikogruppe sind, können nicht Hormonersatztherapie nehmen.
Als ich es schreibe, bin ich seit 6 Monaten auf der MHT. Meine Therapie besteht aus Östrogen-Gel und Progesteron-Pillen. Östrogen wird jetzt in den meisten Fällen transdermal – also über die Haut – verordnet, um die Leber nicht zu belasten. Beide Präparate sind bioidentisch, also sind so nah wie möglich an die menschlichen Hormone angeglichen und aus der Yamswurzel hergestellt. Ich glaube, das sind die Standard-Präparate, die meisten Frauen verschieben bekommen. Ich nehme Östrogen täglich und Progesteron zwei Wochen lang jeden Monat, um den Zyklus nachzubilden. Die Dosierung wird entsprechend deinen Symptomen von deiner Ärztin verschrieben und angepasst.
Also, was hat sich verändert, seit ich mit der Hormonersatztherapie angefangen habe?
Ich habe meine Therapie direkt vor Weihnachten angefangen. Weihnachtzeit = Stress und Schlemmen + Alkohol, also dreifache Keule gegen Körper in Wechseljahren. Dazu war meine Mutter eine Woche zu Besuch da.
- Ich blieb die ganze Woche ausgeglichen und ruhig.
- Ich habe jede Nacht durchgeschlafen und hatte keine einzige Blähung.
- Es hat sich unrealistisch angefühlt, als ob ich plötzlich 10 Jahre jünger wäre.
- Ich habe auch eine Nebenwirkung gespürt – spannende schmerzende Brüste, dies hat sich jedoch nach zwei Wochen eingependelt.
Ich liste hier auf, welche Wechseljahre-Symptome ich gehabt habe und was sich verändert hat:
- Einschlaf- und Durchschlafstörungen – ich schlafe durch, besonders in der Zeit, in der ich Progesteron einnehme, ohne jegliche Probleme. Wenn jedoch etwas sehr Aufregendes am Abend passiert ist, z. B. eine hitzige Diskussion, muss ich Melatonin nehmen, um einzuschlafen. Das passiert ein bis zweimal im Monat. Sonst schlafe ich durch.
- Muskelschmerzen nach intensivem Training und unerwarteten Verletzungen passieren mir nicht mehr, ich kann im vollen Maße trainieren und schwere Gewichte heben, ohne dass ich nachher eine Woche flachliege.
- Restless Legs habe ich nicht mehr
- Stimmungsschwankungen sind weg
- Brainfog ist weg, als ob jemand einen Vorhang über mein Gehirn gehoben hat. Ich kann wieder klar denken und viel schreiben
- Meine Figur hat sich verbessert, ich habe ein wenig am Bauch abgenommen. Ich bin immer noch nicht da, wo ich vor 3 Jahren war, aber ich habe eine Hosengröße verloren.
- Libido ist zurück
- Cholesterinwerte – kann ich noch nicht sagen, werde erst in einem halben Jahr vergleichen
- Blähungen sind fast weg. Ich kriege sie Zyklus abhängig für 2–3 Tage im Monat, aber es ist um Häuser besser als vor der Therapie, wenn ich nach jedem Essen aufgebläht war
- Haare bleiben am Kopf und landen nicht mehr büschelweise in den Abfluss
- Haut: was soll ich sagen – eines Morgens vor der Therapie stand ich vor dem Spiegel und sah, wie meine Haut schlapp von meinen Wangen herunterhängt. Jetzt ist meine Haut wieder prall und geschmeidig.
- Juckreiz ist auch weg
- Vermehrte Hornhautbildung auf den Fersen ist ein wenig besser geworden
- Trockene Schleimhäute – viel besser mit lokaler Hormontherapie
- Hitzewallungen habe ich keine
Was kostet Hormonersatztherapie?
Meine Hormontherapie hat mir viel Lesen, viel Überlegen, ein paar Visiten zur Gynäkologin und die Rezeptgebühren gekostet. Ich zahle je 7 Euro Rezeptgebühr pro Präparat, ich brauche monatlich zwei Präparate – also 14 Euro im Monat. Aber von Gefühl her – unbezahlbar.
Ist Hormontherapie allein ausreichend, um gesund zu bleiben?
Nein, das glaube ich nicht. Hormontherapie kann nicht eine schlechte Ernährung, zu wenig Bewegung oder einen Arschloch-Vorgesetzten abwehren. Ernährung, Bewegung, menschenwürdige Arbeitsbedingungen sind wichtige Bausteine der Gesundheit. Aber manchmal reicht es nicht aus, und du darfst dir eine Unterstützung holen.
Warum haben wir Angst von der Hormonersatztherapie?
„Unsere Mütter und Großmütter haben doch ohne geschafft und sich nicht beschwert.“ Ich glaube, dieser Satz versteckt sich immer im Hintergrund. Nun, wenn ich an meine Mutter und Großmütter denke, jetzt, aus dem zeitlichen Abstand, sehe ich Folgendes:
- Meine Mutter litt an extremen Stimmungsschwankungen am Mitte 40.
- Meine Oma ließ sich überhaupt ab Mitte 40 frühpensionieren und lag jeden Tag stundenweise erschöpft im Bett, meine ganze Kindheit und Jugend hindurch.
- Andere Oma von mir hat mehrere Herzinfarkte und Schlaganfälle und ist daran mit Anfang 70 gestorben.
Unsere Mütter und Omis haben ihr Leid nicht geäußert und im Stillen gelitten, und wir glaubten, dass es nicht so schlecht war. Wir sind die erste Generation, die über Wechseljahre laut spricht und für die Anerkennung kämpft. Anerkennung, dass die Wechseljahre massiv die Frauengesundheit verändern und besser gemanagt sein sollten.
Ein anderer Grund, warum wir kollektiv Angst von der MHT haben, ist die
„Women’s Health Intiative“ oder WHI Studie, die 2002 vorzeitig abgebrochen wurde. Ursprünglich wollten die amerikanischen Behörden wissen, ob cardiovaskulären Krankheiten und Krebs sich mit Hormonersatztherapie vorbeugen ließen. Sie haben die Studie vorzeitig abgebrochen, weil die Ergebnisse alarmierend waren: Die Teilnehmerinnen schienen ein höheres Erkrankungsrisiko zu haben. Darüber hinaus wurde in allen Medien über diese Studie berichtet. Natürlich sank dann die Verwendung der Hormonersatztherapie.
- Nur 30 % der Teilnehmerinnen waren jünger als 60. Der Großteil der Teilnehmerinnen war postmenopausal, das bedeutet, dass die Veränderungen, die im Körper während der Wechseljahre entstehen, schon vollzogen waren. Herz, Gefäße, Gehirn haben sich schon verändert. Hormonersatztherapie kann diese Veränderungen nicht wegradieren, sie kann sie nur vorbeugen.
- Die Teilnehmerinnen haben alle oral die gleich hohe Dosis synthetische Hormone bekommen. Die Wirkung war zigfache von den jetzigen bioidentischen Hormonen, die in viel niedrigeren Dosierungen verschieben werden. Sogar die Pille ist höher dosiert als MHT.
- Die Ergebnisse werden missinterpretiert – man hat sich auf relatives statt absolutes Risiko konzentriert.